NEM-Kennzeichenrecht und HCVODie Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, auch bekannt als "Health Claims Verordnung" (HCVO), regelt nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln in der EU. Ziel der Verordnung ist es, Verbraucher vor irreführenden oder unbewiesenen Werbeaussagen zu schützen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Lebensmittelunternehmen zu schaffen.
1. Zielsetzung der VerordnungDie Verordnung verfolgt mehrere Ziele: - Schutz der Verbraucher: Sicherstellung, dass nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben wissenschaftlich fundiert und verlässlich sind.
- Transparenz und Vergleichbarkeit: Einheitliche Anforderungen an die Kennzeichnung und Werbung von Lebensmitteln.
- Fairer Wettbewerb: Gleiche Bedingungen für alle Unternehmen, die Lebensmittel mit spezifischen Angaben vermarkten.
2. AnwendungsbereichDie Verordnung gilt für: - Alle nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben, die für Lebensmittel gemacht werden, einschließlich:
- Fertigprodukte.
- Nahrungsergänzungsmittel.
- Getränke.
- Lebensmittel, die in der EU vermarktet werden, unabhängig davon, ob sie importiert oder lokal hergestellt wurden.
3. Begriffsbestimmungen (Art. 2)3.1 Nährwertbezogene AngabenDiese beziehen sich darauf, ob ein Lebensmittel vorteilhafte Nährstoffe oder Energie enthält, nicht enthält oder in reduzierter Menge enthält. Beispiele: - „Fettarm.“
- „Quelle von Ballaststoffen.“
- „Zuckerfrei.“
3.2 Gesundheitsbezogene AngabenAussagen, die eine Verbindung zwischen einem Lebensmittel oder einem Bestandteil und der Gesundheit herstellen. Beispiele: - „Calcium ist notwendig für die Erhaltung normaler Knochen.“
- „Omega-3-Fettsäuren tragen zur normalen Funktion des Herzens bei.“
3.3 Reduzierung eines KrankheitsrisikosAngaben, die ausdrücken, dass der Verzehr eines Lebensmittels einen Risikofaktor für eine Krankheit reduziert. Beispiel: „Pflanzensterine tragen nachweislich zur Senkung des Cholesterinspiegels bei. Ein hoher Cholesterinspiegel ist ein Risikofaktor für koronare Herzerkrankungen.“
4. Grundprinzipien der Verordnung (Art. 3–5)Die Verordnung setzt klare Anforderungen an nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben: 4.1 Keine Irreführung- Angaben dürfen Verbraucher nicht täuschen, insbesondere nicht über die Eigenschaften, die Zusammensetzung oder die Wirkungen des Lebensmittels.
Beispiel: Es wäre unzulässig, ein Zuckerprodukt mit „zuckerfrei“ zu bewerben.
4.2 Wissenschaftliche Fundierung- Alle Angaben müssen durch wissenschaftliche Daten belegt sein und die Verbindung zwischen dem Lebensmittel und der behaupteten Wirkung muss nachweisbar sein.
4.3 Keine Angaben zu Heilwirkungen- Aussagen, die darauf hinweisen, dass ein Lebensmittel Krankheiten heilt, lindert oder verhindert, sind verboten.
Beispiel: Die Aussage „Dieser Tee heilt Magenbeschwerden“ ist unzulässig.
4.4 Vollständige Nährwertangaben- Lebensmittel mit nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben müssen eine Nährwertkennzeichnung gemäß der Lebensmittelinformationsverordnung (LMiV) aufweisen.
5. Zulassungsverfahren für gesundheitsbezogene Angaben5.1 Allgemeine gesundheitsbezogene AngabenDiese Angaben müssen: - Bei der Europäischen Kommission eingereicht werden.
- Von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wissenschaftlich geprüft werden.
- Von der Europäischen Kommission in einer Positivliste genehmigt werden.
5.2 Zulassungspflicht für Angaben zur Risikoreduzierung- Für Angaben wie „Senkt das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ ist eine individuelle Zulassung erforderlich.
5.3 Health Claims Positivliste (Art. 13)Die Liste zugelassener Angaben (EU-Register) enthält alle genehmigten nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben. Diese Angaben sind: - Fest definiert.
- An spezifische Bedingungen gebunden.
Beispiele zugelassener Angaben:- Calcium: „Calcium trägt zur normalen Funktion von Enzymen bei.“
- Vitamin C: „Vitamin C trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei.“
Nicht zugelassene Angaben:- „Verhindert Krebs“: Verboten, da es sich um eine Heilwirkung handelt.
6. Spezifische Anforderungen an nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben6.1 Anforderungen an nährwertbezogene Angaben (Anhang der Verordnung)Nährwertbezogene Angaben sind nur zulässig, wenn sie in den Positivlisten der Verordnung enthalten sind. Beispiele für zulässige Angaben: - „Fettfrei“: Weniger als 0,5 g Fett pro 100 g oder 100 ml.
- „Ballaststoffreich“: Mindestens 6 g Ballaststoffe pro 100 g.
6.2 Anforderungen an gesundheitsbezogene AngabenGesundheitsbezogene Angaben sind nur zulässig, wenn sie: - Wissenschaftlich belegt sind.
- In der Positivliste der Verordnung aufgeführt sind.
- Den Bedingungen entsprechen, unter denen sie verwendet werden dürfen.
6.3 Bedingungen für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben- Ein Produkt darf nur mit solchen Angaben beworben werden, wenn es bestimmte Nährstoffprofile erfüllt.
- Ein zu hoher Gehalt an Zucker, Salz oder gesättigten Fetten kann die Verwendung solcher Angaben untersagen.
7. Kennzeichnungspflichten7.1 Allgemeine AnforderungenLebensmittel, die nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben tragen, müssen: - Eine vollständige Nährwertdeklaration gemäß der LMiV aufweisen.
- Die Bedingungen, unter denen die Angabe zutrifft, angeben.
Beispiel:- „Für die positive Wirkung sind mindestens 250 mg Omega-3-Fettsäuren täglich erforderlich.“
7.2 WarnhinweiseBei spezifischen Claims können Warnhinweise erforderlich sein. Beispiele: - „Nicht geeignet für Kinder unter 3 Jahren.“ (bei hohen Vitamin-D-Dosen).
8. Sanktionen bei VerstößenVerstöße gegen die Verordnung können schwerwiegende Konsequenzen haben: - Rückrufaktionen: Produkte mit unzulässigen Claims müssen aus dem Verkehr gezogen werden.
- Bußgelder: Geldstrafen für irreführende oder unzulässige Angaben.
- Vertragsrechtliche Konsequenzen: Schadensersatzansprüche bei Wettbewerbsverstößen.
9. Rolle von Rechtsanwälten und Beratern9.1 Unterstützung durch Rechtsanwälte- Beratung: Prüfung von Werbemaßnahmen und Produktetiketten auf Konformität.
- Rechtsstreitigkeiten: Verteidigung in Verfahren wegen unzulässiger Claims.
- Vertragsgestaltung: Beratung bei der Gestaltung von Liefer- und Marketingverträgen.
9.2 Compliance-Berater- Unterstützung bei der Beantragung neuer Claims bei der Europäischen Kommission.
- Schulungen für Marketing- und Entwicklungsabteilungen.
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