Neuartige Lebensmittel und neuartige LebensmittelzutatenURTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer) vom 15. Januar 2009 C383/07 „Vorabentscheidungsersuchen – Verordnung (EG) Nr. 258/97 – Art. 1 Abs. 1 bis 3 – Neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten“ 1. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Lebensmittel die Voraussetzung hinsichtlich der Verwendung in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Europäischen Gemeinschaft im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten erfüllt, ist es ohne Bedeutung, dass das Lebensmittel vor Inkrafttreten dieser Verordnung nach San Marino eingeführt wurde. 2. Der Umstand, dass alle Zutaten eines Lebensmittels für sich genommen die Voraussetzung des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 258/97 erfüllen oder unbedenklich sind, reicht nicht dafür aus, die Anwendung dieser Verordnung auf das erzeugte Lebensmittel auszuschließen. Die Entscheidung, ob dieses als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 258/97 einzustufen ist, ist von der zuständigen nationalen Behörde für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Merkmale des Lebensmittels und des Herstellungsverfahrens zu treffen. 3. Der Umstand, dass alle Algen, die im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 258/97 in einem Lebensmittel enthalten sind, im Sinne des Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung die Voraussetzung der Verwendung in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft erfüllen, reicht nicht dafür aus, die Anwendung der Verordnung auf das betreffende Lebensmittel auszuschließen. 4. Ausschließlich außerhalb Europas erworbene Erfahrungen hinsichtlich der Unbedenklichkeit eines Lebensmittels reichen nicht für die Feststellung aus, dass dieses unter die Gruppe der Lebensmittel fällt, die im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 258/97 „erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können“. 5. Dem Unternehmer obliegt es nicht, das Verfahren des Art. 13 der Verordnung Nr. 258/97 zu betreiben. In der Rechtssache C383/07 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 3. August 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 10. August 2007, in dem Verfahren M-K Europa GmbH & Co. KG gegen Stadt Regensburg, Beteiligte: Landesanwaltschaft Bayern, erlässt DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J.C. Bonichot, K. Schiemann, J. Makarczyk (Berichterstatter) und L. Bay Larsen, Generalanwalt: P. Mengozzi, Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2008, unter Berücksichtigung der Erklärungen – der M-K Europa GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Meisterernst, – der Stadt Regensburg, vertreten durch R. Seidl als Bevollmächtigte, – der griechischen Regierung, vertreten durch V. Kontolaimos und S. Charitaki als Bevollmächtigte, – der zyprischen Regierung, vertreten durch D. Lysandrou als Bevollmächtigten, – der polnischen Regierung, vertreten durch T. Nowakowski als Bevollmächtigten, – der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J.P. Keppenne, B. Eggers und L. Pignataro als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (ABl. L 43, S. 1). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der MK Europa GmbH & Co. KG (im Folgenden: M-K Europa) und der Stadt Regensburg über deren Bescheid, mit dem das Inverkehrbringen eines aus Japan stammenden Lebensmittels mit dem Namen „Man-Koso 3000“ (im Folgenden: Man-Koso) untersagt wurde. Rechtlicher Rahmen Gemeinschaftsrecht 3 Im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 258/97 heißt es: „Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ist dafür Sorge zu tragen, dass neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten einer einheitlichen Sicherheitsprüfung in einem Gemeinschaftsverfahren unterliegen, bevor sie in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht werden. …“ 4 Art. 1 der Verordnung Nr. 258/97 bestimmt: „(1) In dieser Verordnung ist das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel und neuartiger Lebensmittelzutaten in der Gemeinschaft geregelt. (2) Diese Verordnung findet Anwendung auf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten in der Gemeinschaft, die in dieser bisher noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und die unter nachstehende Gruppen von Erzeugnissen fallen: … d) Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen bestehen oder aus diesen isoliert worden sind; e) Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus Pflanzen bestehen oder aus Pflanzen isoliert worden sind, und aus Tieren isolierte Lebensmittelzutaten, außer Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten, die mit herkömmlichen Vermehrungs oder Zuchtmethoden gewonnen wurden und die erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können; f) Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, bei deren Herstellung ein nicht übliches Verfahren angewandt worden ist und bei denen dieses Verfahren eine bedeutende Veränderung ihrer Zusammensetzung oder der Struktur der Lebensmittel oder der Lebensmittelzutaten bewirkt hat, was sich auf ihren Nährwert, ihren Stoffwechsel oder auf die Menge unerwünschter Stoffe im Lebensmittel auswirkt. (3) Gegebenenfalls kann nach dem Verfahren des Artikels 13 festgelegt werden, ob ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat unter Absatz 2 dieses Artikels fällt.“ 5 In Art. 13 der Verordnung Nr. 258/97 heißt es: „(1) Bei der Anwendung des in diesem Artikel festgelegten Verfahrens wird die Kommission von dem Ständigen Lebensmittelausschuss, nachstehend ‚Ausschuss‘ genannt, unterstützt. (2) Der Vorsitzende des Ausschusses befasst diesen von sich aus oder auf Antrag des Vertreters eines Mitgliedstaats. (3) Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann. Die Stellungnahme wird mit der Mehrheit abgegeben, die in Artikel [205] Absatz 2 des Vertrags für die Annahme der vom Rat auf Vorschlag der Kommission zu fassenden Beschlüsse vorgesehen ist. Bei der Abstimmung im Ausschuss werden die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten gemäß dem vorgenannten Artikel gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil. (4) a) Die Kommission erlässt die beabsichtigten Maßnahmen, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen. …“ Nationales Recht 6 Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 des bayerischen Lebensmittelüberwachungsgesetzes vom 11. November 1997 in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung sieht vor: „Die Lebensmittelbehörden können zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um … Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften … zu verhüten oder zu unterbinden“. 7 § 3 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten (Neuartige-Lebensmittel und Lebensmittelzutaten-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Februar 2000 mit der letzten für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Änderung durch Gesetz vom 6. August 2002 (BGBl. 2002 I S. 3082) bestimmt: „Lebensmittel und Lebensmittelzutaten im Sinne des Artikels 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 dürfen vorbehaltlich des Absatzes 2 von demjenigen, der für das Inverkehrbringen verantwortlich ist, nicht ohne eine nach den in Artikel 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 genannten Verfahren erteilte Genehmigung in den Verkehr gebracht werden.“ Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen 8 Gemäß der Vorlageentscheidung ist Man-Koso ein in einem Fermentationsverfahren aus mehr als 50 Pflanzenzutaten hergestelltes Lebensmittel. Es enthält insbesondere Braun und Rotalgen, Gobo und Lotos-Wurzeln sowie Akebi und Shiso-Blätter. M-K Europa bezeichnet das Erzeugnis als hochkarätiges Lebensmittel mit gesundheitsfördernder Wirkung. 9 Man-Koso wurde der Öffentlichkeit in einer deutschen Fernsehsendung vorgestellt, was die deutschen Behörden veranlasste, Schritte zur Prüfung seiner Zusammensetzung einzuleiten. 10 Aufgrund der Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung von Man-Koso untersagte die Stadt Regensburg mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 das Inverkehrbringen dieses Lebensmittels. 11 Nachdem der bei der Regierung der Oberpfalz erhobene Widerspruch gegen den Untersagungsbescheid mit Bescheid vom 9. Dezember 2002 zurückgewiesen worden war, erhob M-K Europa Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg, die mit Urteil vom 27. Oktober 2003 mit der Begründung, dass Man-Koso ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 258/97 sei, ebenfalls abgewiesen wurde. Mit Beschluss vom 25. Oktober 2005 wurde die Berufung von M-K Europa gegen dieses Urteil zugelassen. 12 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hängt die Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 24. Oktober 2002, mit dem das Inverkehrbringen von Man-Koso untersagt wurde, von der Auslegung des Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 258/97 ab. 13 Unter diesen Umständen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Kann für die Beurteilung der Frage, ob ein Lebensmittel im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 258/97 „in der Gemeinschaft … bisher noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet“ wurde, der Umstand von Bedeutung sein, dass das Lebensmittel kurz vor dem Inkrafttreten der Verordnung am 15. Mai 1997 in ein räumlich eng begrenztes Gebiet der Gemeinschaft (hier: San Marino) eingeführt wurde und dort erhältlich war? 2. Ist ein Lebensmittel schon dann nicht neuartig im Sinne des Art. 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 258/97, wenn sämtliche bei der Herstellung des Lebensmittels verwendeten Zutaten in der Gemeinschaft bisher in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden? 3. Ist Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 258/97 einschränkend dahin auszulegen, dass unter die Gruppe der „Lebensmittel …, die aus … Algen bestehen“ keine Lebensmittel fallen, in denen nur solche Algen enthalten sind, die in der Gemeinschaft schon bisher für den menschlichen Verzehr verwendet wurden? 4. Kann ein Lebensmittel im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 258/97 „erfahrungsgemäß als unbedenkliches Lebensmittel gelten“, wenn Erfahrungen über die Unbedenklichkeit nur in Regionen außerhalb Europas (hier: Japan) vorliegen? 5. Kann ein Lebensmittel „erfahrungsgemäß als unbedenkliches Lebensmittel gelten“, weil es unter Verwendung erfahrungsgemäß unbedenklicher Zutaten in einem üblichen Herstellungs oder Verarbeitungsverfahren hergestellt wird, wenn über die Kombination von Zutaten und Verfahren keine Erfahrungen vorliegen? 6. Ergibt sich aus Art. 1 Abs. 3 der Verordnung Nr. 258/97, wonach „[g]egebenenfalls … nach dem Verfahren des Artikels 13 festgelegt werden [kann], ob ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat unter Absatz 2 dieses Artikels fällt“, die Pflicht des Unternehmers, im Streitfall diese Festlegung herbeizuführen und abzuwarten? Lassen sich daraus und aus Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 258/97 auch Vorgaben für die Darlegungslast und die materielle Beweislast entnehmen? Zu den Vorlagefragen Zur ersten Frage 14 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob für die Einstufung eines Lebensmittels als neuartiges Lebensmittel im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 258/97 im Hinblick auf die Voraussetzung, die die Verwendung für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft betrifft, der Umstand von Bedeutung sein kann, dass das Lebensmittel vor dem 15. Mai 1997 nach San Marino eingeführt wurde. 15 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 258/97 deren Geltungsbereich u. a. durch die Festlegung dessen abgegrenzt wird, was unter neuartigen Lebensmitteln und neuartigen Lebensmittelzutaten zu verstehen ist. Nach dieser Definition gelten als „neuartig“ nur die Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, „die in [der Gemeinschaft] bisher noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden“ (Urteil vom 9. Juni 2005, HLH Warenvertrieb und Orthica, C211/03, C299/03 und C316/03 bis C318/03, Slg. 2005, I5141, Randnr. 82). 16 San Marino ist aber kein Mitgliedstaat der Gemeinschaft. Außerdem gehört es nicht zu den Gebieten, auf die der EG-Vertrag nach Art. 299 EG Anwendung findet. 17 Deshalb ist auf die erste Frage zu antworten, dass es für die Beurteilung der Frage, ob ein Lebensmittel die Voraussetzung hinsichtlich der Verwendung in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 258/97 erfüllt, ohne Bedeutung ist, dass das Lebensmittel vor Inkrafttreten dieser Verordnung nach San Marino eingeführt wurde. Zur zweiten und zur fünften Frage 18 Die zusammen zu prüfenden Fragen zwei und fünf des vorlegenden Gerichts gehen dahin, ob bestimmte Umstände, die die Zutaten eines gegebenen Lebensmittels kennzeichnen, für dessen Einstufung als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 258/97 von Bedeutung sind. 19 So möchte das vorlegende Gericht zum einen wissen, wie für die Zwecke dieser Einstufung der Umstand zu werten ist, dass alle Zutaten eines Lebensmittels die Voraussetzung der Verwendung in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 258/97 erfüllen. 20 Zum anderen möchte es wissen, ob ein Lebensmittel unter die Gruppe der Lebensmittel, die „erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können“, und damit nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 258/97 fällt, wenn es unter Verwendung erfahrungsgemäß unbedenklicher Zutaten in einem – vom vorlegenden Gericht als „üblich“ bezeichneten – Verfahren hergestellt wird, aber über die Kombination der betreffenden Zutaten und des Verfahrens keine Erfahrungen vorliegen. 21 In der Tat macht M-K Europa in ihren Schriftsätzen geltend, dass alle Zutaten von Man-Koso in der Gemeinschaft namentlich im Gastronomiesektor in nennenswertem Umfang verwendet würden. 22 Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Verordnung Nr. 258/97 durch eine doppelte Zielsetzung gekennzeichnet ist, die darin besteht, das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes der neuartigen Lebensmittel zu sichern und die öffentliche Gesundheit vor den Risiken zu schützen, die sich aus diesen Lebensmitteln ergeben können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2003, Monsanto Agricoltura Italia u. a., C236/01, Slg. 2003, I8105, Randnr. 74). 23 Mit dieser Verordnung sollen in der Gemeinschaft gemeinsame Standards im Bereich der neuartigen Lebensmittel und Lebensmittelzutaten gesetzt werden, die, wie aus dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung hervorgeht, u. a. darin zum Ausdruck kommen, dass ein Gemeinschaftsverfahren mit einer einheitlichen Prüfung der Sicherheit dieser Lebensmittel und Lebensmittelzutaten vor ihrem Inverkehrbringen in der Gemeinschaft eingeführt wird. 24 Was konkret die Bedeutung zum einen der Verwendung der Zutaten eines Lebensmittels in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr und zum anderen der Unbedenklichkeit dieser Zutaten angeht, so ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 258/97, dass für die Zwecke der Einstufung eines Lebensmittel-Enderzeugnisses als neuartiges Lebensmittel im Sinne dieser Verordnung dem Herstellungsverfahren Bedeutung zukommt. 25 Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung fallen unter die Gruppe der neuartigen Lebensmittel die Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, bei deren Herstellung ein nicht übliches Verfahren angewandt worden ist und bei denen dieses Verfahren eine bedeutende Veränderung ihrer Zusammensetzung oder Struktur bewirkt hat, was sich auf ihren Nährwert, ihren Stoffwechsel oder auf die Menge unerwünschter Stoffe im Lebensmittel auswirkt. 26 Insoweit reicht, wie die Stadt Regensburg, die hellenische, die zyprische und die polnische Regierung sowie die Kommission in ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen geltend gemacht haben, der Umstand allein, dass alle Zutaten, aus denen ein Lebensmittel besteht, in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft verwendet worden sein mögen, nicht dafür aus, das Lebensmittel-Enderzeugnis nicht als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 258/97 anzusehen. 27 Da nämlich nicht ausgeschlossen ist, dass der Herstellungsvorgang in der Struktur eines Lebensmittels zu physikalischen, chemischen oder biologischen Änderungen der verwendeten Zutaten mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die öffentliche Gesundheit führen kann, ist die Prüfung, welche Folgen dieser Vorgang hat, selbst dann geboten, wenn das Enderzeugnis aus Zutaten besteht, die jeweils für sich genommen die Voraussetzung des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 258/97 erfüllen. 28 Die Problematik, die sich im Zusammenhang mit der Einstufung eines Lebensmittels als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 258/97 in Bezug auf das Herstellungsverfahren stellt, wiegt umso schwerer, wenn es in der Gemeinschaft unstreitig keinerlei Erfahrungen mit der Anwendung des fraglichen Herstellungsverfahrens auf die betreffenden Zutaten gibt. 29 Der Begriff des „bei der Herstellung nicht üblichen Verfahrens“ im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 258/97 ist nämlich im konkreten Zusammenhang der Lebensmittel zu verstehen, auf die das Verfahren angewandt werden soll. 30 Deshalb ist auf die zweite und die fünfte Frage zu antworten, dass der Umstand, dass alle Zutaten eines Lebensmittels für sich genommen die Voraussetzung des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 258/97 erfüllen oder unbedenklich sind, nicht dafür ausreicht, die Anwendung dieser Verordnung auf das erzeugte Lebensmittel auszuschließen. Die Entscheidung, ob dieses als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 258/97 einzustufen ist, ist von der zuständigen nationalen Behörde für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Merkmale des Lebensmittels und des Herstellungsverfahrens zu treffen. Zur dritten Frage 31 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Anwendung der Verordnung Nr. 258/97 dann ausgeschlossen werden kann, wenn ein Lebensmittel im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. d dieser Verordnung nur aus Algen besteht, die selbst im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung die Voraussetzung der Verwendung in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft erfüllen. 32 Insoweit ergibt sich aus der Antwort auf die zweite und die fünfte Frage, dass der Umstand, dass alle Algen, die im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 258/97 in einem Lebensmittel enthalten sind, im Sinne des Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung die Voraussetzung der Verwendung in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft erfüllen, nicht dafür ausreicht, die Anwendung der Verordnung auf das betreffende Lebensmittel auszuschließen. Zur vierten Frage 33 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ausschließlich außerhalb Europas erworbene Erfahrungen hinsichtlich der Unbedenklichkeit eines Lebensmittels für die Annahme ausreichen, dass dieses unter die Gruppe der Lebensmittel fällt, die im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 258/97 „erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können“. 34 Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 258/97 macht zum Ende hin eine Ausnahme von der Anwendbarkeit der Verordnung für Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten, die mit herkömmlichen Vermehrungs oder Zuchtmethoden gewonnen wurden und die erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können. 35 Wie oben in Randnr. 23 ausgeführt, soll mit der Verordnung Nr. 258/97 für die Sicherheitsprüfung, der die neuartigen Lebensmittel und Lebensmittelzutaten vor ihrem Inverkehrbringen in der Gemeinschaft unterliegen, ein einheitliches Gemeinschaftsverfahren eingeführt werden. 36 Ohne dass damit in Abrede gestellt werden soll, dass im Rahmen der Prüfung der Unbedenklichkeit eines neuartigen Lebensmittels vor seinem Inverkehrbringen in der Gemeinschaft Informationen über seine Verwendung in nicht zur Europäischen Union gehörenden Staaten von Interesse sein könnten, ist festzustellen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit dem Begriff der erfahrungsgemäßen Unbedenklichkeit als Lebensmittel im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 258/97 auf die in der Gemeinschaft erworbene Erfahrung abstellen wollte. 37 Wie die polnische Regierung und die Kommission geltend machen, können wegen der Unterschiede, die insbesondere hinsichtlich der Ernährungsgewohnheiten möglicherweise zwischen europäischen und nicht europäischen Verbrauchern bestehen, Lebensmittel, die für nicht europäische Verbraucher als unbedenklich gelten, für europäische Verbraucher nicht zwangsläufig als Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten eingestuft werden, die erfahrungsgemäß als unbedenklich gelten können. 38 Somit ist auf die vierte Frage zu antworten, dass ausschließlich außerhalb Europas erworbene Erfahrungen hinsichtlich der Unbedenklichkeit eines Lebensmittels nicht für die Feststellung ausreichen, dass dieses unter die Gruppe der Lebensmittel fällt, die im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 258/97 „erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können“. Zur sechsten Frage 39 Den Gründen der Vorlageentscheidung lässt sich entnehmen, dass das vorlegende Gericht mit seiner sechsten Frage zum einen wissen möchte, ob es dem Wirtschaftsteilnehmer obliegt, das Verfahren des Art. 13 der Verordnung Nr. 258/97 zu betreiben. Zum anderen stellt sich das vorlegende Gericht in Ansehung dieses Verfahrens die Frage nach der Beweislast für die Einstufung eines Lebensmittels als neuartiges Lebensmittel im Sinne dieser Verordnung. 40 Insoweit ist festzustellen, dass Art. 1 Abs. 3 der Verordnung Nr. 258/97 die Möglichkeit einführt, gegebenenfalls im Wege des sogenannten „Komitologieverfahrens“ nach Art. 13 der Verordnung festzulegen, ob ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat unter die Verordnung fällt. 41 Nach Art. 13 der Verordnung Nr. 258/97 wird der Ausschuss von seinem Vorsitzenden entweder aus dessen eigener Initiative oder auf Antrag des Vertreters eines Mitgliedstaats befasst. 42 Unbeschadet der Verfahren, die in dem betroffenen Mitgliedstaat nach dem einschlägigen nationalen Recht durchgeführt werden können, ist festzustellen, dass das Komitologieverfahren nach Art. 13 der Verordnung Nr. 258/97 nur die Stellungnahme des Ausschusses, eine Entscheidung der Kommission für den Fall, dass die beabsichtigten Maßnahmen mit dieser Stellungnahme übereinstimmen, und schließlich, falls diese Maßnahmen nicht mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen, die Abstimmung im Rat mit qualifizierter Mehrheit mit sich bringt. 43 Deshalb ist auf die sechste Frage zu antworten, dass es dem Unternehmer nicht obliegt, das Verfahren des Art. 13 der Verordnung Nr. 258/97 zu betreiben. 44 In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kann die Frage der Beweislast, soweit sie das Verfahren des Art. 13 der Verordnung Nr. 258/97 betrifft, dahingestellt bleiben, da sie sich in diesem Verfahren nicht stellt. Kosten 45 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt: 1. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Lebensmittel die Voraussetzung hinsichtlich der Verwendung in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Europäischen Gemeinschaft im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten erfüllt, ist es ohne Bedeutung, dass das Lebensmittel vor Inkrafttreten dieser Verordnung nach San Marino eingeführt wurde. 2. Der Umstand, dass alle Zutaten eines Lebensmittels für sich genommen die Voraussetzung des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 258/97 erfüllen oder unbedenklich sind, reicht nicht dafür aus, die Anwendung dieser Verordnung auf das erzeugte Lebensmittel auszuschließen. Die Entscheidung, ob dieses als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 258/97 einzustufen ist, ist von der zuständigen nationalen Behörde für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Merkmale des Lebensmittels und des Herstellungsverfahrens zu treffen. 3. Der Umstand, dass alle Algen, die im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 258/97 in einem Lebensmittel enthalten sind, im Sinne des Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung die Voraussetzung der Verwendung in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft erfüllen, reicht nicht dafür aus, die Anwendung der Verordnung auf das betreffende Lebensmittel auszuschließen. 4. Ausschließlich außerhalb Europas erworbene Erfahrungen hinsichtlich der Unbedenklichkeit eines Lebensmittels reichen nicht für die Feststellung aus, dass dieses unter die Gruppe der Lebensmittel fällt, die im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 258/97 „erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können“. 5. Dem Unternehmer obliegt es nicht, das Verfahren des Art. 13 der Verordnung Nr. 258/97 zu betreiben. |