KnoblauchkapselnEuGH (Erste Kammer) C-319/05 Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland vom 15.11.20071. Ein Erzeugnis wird dann im Sinne der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel „als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet“, wenn es, gegebenenfalls auf dem Etikett, dem Beipackzettel oder mündlich, ausdrücklich als ein solches „bezeichnet“ oder „empfohlen“ wird sowie stets dann, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass das Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse. Mangels Erfüllung der in Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/83 festgelegten Kriterien lässt sich als Arzneimittel nach der Bezeichnung im Sinne dieser Richtlinie nicht ein Knoblauchpräparat in Form von Kapseln einstufen, das – sei es auf dem Etikett, durch die Angaben auf der Verpackung oder in sonstiger Weise – weder als ein Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet noch als ein solches empfohlen wird und dessen Aufmachung keinen Aspekt aufweist, der bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher ein Vertrauen wie dasjenige hervorrufen könnte, das Arzneimittel normalerweise erwecken, so dass die Aufmachung als Kapseln der einzige Aspekt des Erzeugnisses ist, der für seine Einstufung als Arzneimittel nach der Bezeichnung sprechen könnte. Die einem Erzeugnis gegebene äußere Form kann nämlich, auch wenn sie ein wichtiges Indiz für die Absicht des Verkäufers oder Herstellers ist, das Erzeugnis als Arzneimittel in den Handel zu bringen, kein allein ausschlaggebendes Indiz sein, da andernfalls bestimmte Nahrungsmittel erfasst würden, die herkömmlicherweise in ähnlicher Form wie Arzneimittel aufgemacht sind. Die Kapselform ist jedoch nicht für Arzneimittel spezifisch, da zahlreiche Lebensmittel ebenfalls in dieser Form angeboten werden, um dem Verbraucher ihren Verzehr bequemer zu machen. Dieses Indiz kann folglich allein nicht genügen, um einem Erzeugnis die Eigenschaft eines Arzneimittels nach der Bezeichnung zu verleihen. (vgl. Randnrn. 44-46, 50-54, 78) 2. Die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels nach der Funktion im Sinne der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel fällt, hat die zuständige nationale Behörde, die unter der Kontrolle der Gerichte tätig wird, von Fall zu Fall zu treffen, wobei sie alle Merkmale des Erzeugnisses, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen –, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, zu berücksichtigen hat. Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage, ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses, zu beurteilen ist, ob es im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt werden kann. Dieses Kriterium darf jedoch nicht dazu führen, dass Stoffe als Arzneimittel nach der Funktion eingestuft werden, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken und somit dessen Funktionsbedingungen nicht wirklich beeinflussen. Anders als der Begriff des Arzneimittels nach der Bezeichnung, dessen weite Auslegung die Verbraucher vor Erzeugnissen schützen soll, die nicht die Wirksamkeit besitzen, welche sie erwarten dürfen, soll der Begriff des Arzneimittels nach der Funktion nämlich diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen. Deshalb und um die praktische Wirksamkeit dieses Kriteriums zu gewährleisten, ist es nicht ausreichend, dass ein Erzeugnis Eigenschaften besitzt, die der Gesundheit im Allgemeinen förderlich sind, sondern muss es wirklich die Funktion der Verhütung oder Heilung besitzen, zumal es zahlreiche allgemein als Lebensmittel anerkannte Erzeugnisse gibt, die objektiv für therapeutische Zwecke verwendet werden können. Dieser Umstand kann nicht genügen, um ihnen die Eigenschaft eines Arzneimittels im Sinne der Richtlinie 2001/83 zu verleihen. Schließlich ist der Umstand, dass die Aufnahme eines Erzeugnisses ein Gesundheitsrisiko ist, kein Gesichtspunkt, der auf eine pharmakologische Wirksamkeit des Erzeugnisses hinweisen kann. Das Gesundheitsrisiko ist nämlich, auch wenn es bei der Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel nach der Funktion zu berücksichtigen ist, dennoch ein eigenständiger Faktor. (vgl. Randnrn. 55, 59-61, 64-65, 69) 3. Ein Knoblauchpräparat in Form von Kapseln, dessen Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann, besitzt keine nennenswerten Auswirkungen auf den Stoffwechsel und kann damit nicht als ein Erzeugnis eingestuft werden, das die physiologischen Funktionen im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel wiederherstellen, bessern oder beeinflussen könnte. Da die angeführten Risiken und Kontraindikationen bei der Einnahme von Knoblauchpräparaten begrenzt sind und sich zudem nicht von denen unterscheiden, die im Fall des Verzehrs von Knoblauch als Lebensmittel bestehen, und da das Kriterium der Gebrauchsmodalitäten des fraglichen Erzeugnisses, weil die Kapselform nicht für Arzneimittel spezifisch ist, nicht maßgebend sein kann, kann ein solches Präparat nicht als ein Arzneimittel nach der Funktion im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 eingestuft werden. (vgl. Randnrn. 68, 76-78) 4. Legt ein Mitgliedstaat für ein Knoblauchpräparat in Form von Kapseln, das nicht der Definition des Arzneimittels im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel entspricht, das Erfordernis einer Genehmigung des Inverkehrbringens als Arzneimittel fest, so liegt darin eine durch Art. 28 EG verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung. Mit diesem Erfordernis begründet der Mitgliedstaat nämlich insofern ein Hindernis für den innergemeinschaftlichen Handel, als ein solches Erzeugnis, das in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig als Lebensmittel vertrieben wird, in dem fraglichen Staat erst vermarktet werden darf, nachdem es einem Verfahren der Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel unterworfen worden ist. Was die Frage anbelangt, ob eine solche Beschränkung auf der Grundlage von Art. 30 EG durch Gründe des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt werden kann, so ist es zwar, soweit beim gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung noch Unsicherheiten bestehen, mangels Harmonisierung Sache der Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft zu bestimmen, in welchem Umfang sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollen und ob sie für das Inverkehrbringen der Lebensmittel eine vorherige Zulassung verlangen. Jedoch müssen die von ihnen insoweit gewählten Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen. Die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 8 der Richtlinie 2001/83 unterliegt indessen besonders strengen Anforderungen, und die Verpflichtung, vor der Vermarktung des fraglichen Erzeugnisses im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eine solche Genehmigung einzuholen, kann nur dann als mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehend angesehen werden, wenn sie tatsächlich erforderlich ist, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Eine solche Beschränkung des freien Warenverkehrs muss daher notwendig auf eine eingehende Prüfung des Risikos gestützt werden, das der Mitgliedstaat geltend macht. Ein allgemeiner Hinweis auf Gesundheitsrisiken, die der Verzehr des Erzeugnisses unter ganz besonderen Umständen mit sich bringen kann, kann nicht genügen, um eine Maßnahme wie die obligatorische Durchführung des besonders strengen Verfahrens der Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel zu rechtfertigen. (vgl. Randnrn. 79, 81, 86-87, 89-91, 94, 97 und Tenor) 15. November 2007(*) „Vertragsverletzungsklage – Art. 28 EG und 30 EG – Richtlinie 2001/83/EG – Knoblauchpräparat in Form von Kapseln – Präparat, das in bestimmten Mitgliedstaaten rechtmäßig als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben wird – Präparat, das im Einfuhrmitgliedstaat als Arzneimittel eingestuft wird – Begriff des ‚Arzneimittels‘ – Hindernis – Rechtfertigung – Öffentliche Gesundheit – Verhältnismäßigkeit“ In der Rechtssache C319/05 betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 19. August 2005, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Stromsky und B. Schima als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Klägerin, gegen Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte, Beklagte, erlässt DER GERICHTSHOF (Erste Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter R. Schintgen, A. Borg Barthet (Berichterstatter), M. Ilešič und E. Levits, Generalanwältin: V. Trstenjak, Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2007, nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. Juni 2007 folgendes Urteil 1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 30 EG verstoßen hat, dass sie ein Knoblauchpräparat, das in Kapseln abgefüllt ist und nicht unter die Definition des Arzneimittels nach der Bezeichnung fällt, als Arzneimittel einstuft. Rechtlicher Rahmen Die Richtlinie 2001/83/EG 2 Die Erwägungsgründe 2 bis 5 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) lauten: „(2) Alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs oder der Verwendung von Arzneimitteln müssen in erster Linie einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten. (3) Dieses Ziel muss jedoch mit Mitteln erreicht werden, die die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie und den Handel mit Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft nicht hemmen können. (4) Die Unterschiede zwischen einigen einzelstaatlichen Vorschriften, namentlich zwischen den Vorschriften über Arzneimittel – mit Ausnahme solcher Stoffe und Stoffzusammensetzungen, die Lebensmittel, Futtermittel oder Körperpflegemittel sind –, behindern den Handel mit Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft und wirken sich somit unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarktes aus. (5) Diese Hindernisse müssen folglich beseitigt werden; zu diesem Zweck ist eine Angleichung der einschlägigen Rechtsvorschriften erforderlich.“ 3 Nach Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 fallen unter den Begriff „Arzneimittel“: „Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bezeichnet werden; Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden“. 4 Art. 2 der Richtlinie 2001/83 bestimmt: „Die Bestimmungen dieser Richtlinie gelten für gewerblich zubereitete Humanarzneimittel, die in den Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht werden sollen.“ 5 Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 lautet: „Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde oder wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 erteilt wurde.“ Die Richtlinie 2002/46/EG 6 Nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel (ABl. L 183, S. 51) bezeichnet der Ausdruck „Nahrungsergänzungsmittel“: „Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d. h. in Form von z. B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen“. 7 Nach Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/46 sind unter „Nährstoffen“ folgende Stoffe zu verstehen: „i) Vitamine, ii) Mineralstoffe.“ 8 Art. 11 der Richtlinie 2002/46 bestimmt: „(1) Unbeschadet des Artikels 4 Absatz 7 dürfen die Mitgliedstaaten den Handel mit den in Artikel 1 genannten Erzeugnissen nicht aus Gründen ihrer Zusammensetzung, Herstellungsmerkmale, Aufmachung oder Kennzeichnung untersagen oder beschränken, wenn die Erzeugnisse dieser Richtlinie und den etwaigen zu ihrer Durchführung erlassenen Gemeinschaftsbestimmungen entsprechen. (2) Unbeschadet des Vertrags, insbesondere der Artikel 28 und 30, berührt Absatz 1 nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen, die in Ermangelung von aufgrund dieser Richtlinie erlassenen Gemeinschaftsbestimmungen gelten.“ Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 9 Nach Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1) gelten als „Lebensmittel“: „alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden“. 10 Art. 14 Abs. 7 bis 9 der Verordnung Nr. 178/2002 lautet: „(7) Lebensmittel, die spezifischen Bestimmungen der Gemeinschaft zur Lebensmittelsicherheit entsprechen, gelten hinsichtlich der durch diese Bestimmungen abgedeckten Aspekte als sicher. (8) Entspricht ein Lebensmittel den für es geltenden spezifischen Bestimmungen, so hindert dies die zuständigen Behörden nicht, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Beschränkungen für das Inverkehrbringen dieses Lebensmittels zu verfügen oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen, wenn, obwohl es den genannten Bestimmungen entspricht, der begründete Verdacht besteht, dass es nicht sicher ist. (9) Fehlen spezifische Bestimmungen der Gemeinschaft, so gelten Lebensmittel als sicher, wenn sie mit den entsprechenden Bestimmungen des nationalen Lebensmittelrechts des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie vermarktet werden, in Einklang stehen, sofern diese Bestimmungen unbeschadet des Vertrags, insbesondere der Artikel 28 und 30, erlassen und angewandt werden.“ Vorgerichtliches Verfahren 11 Bei der Kommission ging die Beschwerde eines Unternehmens ein, dessen Antrag auf Erteilung einer Einfuhr- und Vertriebsgenehmigung für ein Knoblauchpräparat in Kapselform vom Bundesgesundheitsministerium mit der Begründung abgelehnt worden war, es handele sich bei dem Produkt nicht um ein Lebensmittel, sondern um ein Arzneimittel. 12 Das Produkt wird unter der Bezeichnung „Knoblauch-Extrakt-Pulver-Kapsel“ vertrieben. Nach den Angaben der Parteien handelt es sich um ein mithilfe von Ethanol gewonnenes Extrakt, das zum Zweck der Sprühtrocknung auf einem Hilfsstoff (Laktose) aufgezogen worden ist. Jede Kapsel enthält 370 mg Knoblauchextrakt-Puder mit einem Allicin-Anteil zwischen 0,95 % und 1,05 %, was dem Allicin-Gehalt von 7,4 g frischem, rohem Knoblauch entspricht. 13 Nach einem längeren informellen Austausch richtete die Kommission am 24. Juli 2001 an die Bundesrepublik Deutschland ein Mahnschreiben, in dem sie ausführte, dass die Einstufung des in Frage stehenden Knoblauchpräparats als Arzneimittel mit einer Begründung wie im Zusammenhang mit der erwähnten Beschwerde nicht mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs vereinbar sei, wie er sich aus den Art. 28 EG und 30 EG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung ergebe. Die Bundesrepublik Deutschland beantwortete das Mahnschreiben am 5. Oktober 2001. 14 In ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 17. Dezember 2002 forderte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland auf, binnen zwei Monaten nach Zustellung der mit Gründen versehenen Stellungnahme die Verwaltungspraxis abzustellen, nach der Erzeugnisse, die aus getrocknetem pulverisiertem Knoblauch bestünden und die erkennbar nicht als Arzneimittel gekennzeichnet oder bezeichnet seien, als Arzneimittel zu behandeln seien. 15 Da die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme mitteilte, dass die Einstufung des Erzeugnisses als Arzneimittel überprüft worden sei und aufrechterhalten werden müsse, beschloss die Kommission, die vorliegende Klage zu erheben. Zu der Klage Vorbringen der Parteien 16 Die Kommission schickt voraus, dass die Gemeinschaftsvorschriften über Arzneimittel neben dem Schutz der menschlichen Gesundheit den freien Warenverkehr sicherstellen sollten, weshalb die Auslegung der Vorschriften der Richtlinie 2001/83 im Allgemeinen und des Arzneimittelbegriffs im Besonderen nicht zur Folge haben dürfe, dass Behinderungen für den freien Warenverkehr entstünden, die völlig außer Verhältnis zum angestrebten Ziel des Gesundheitsschutzes stünden. 17 Die Kommission trägt sodann vor, dass für die Frage der Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel nach der Funktion neben seinen pharmakologischen Wirkungen auch seine Anwendungsmodalitäten, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken zu berücksichtigen seien, die mit seinem Gebrauch verbunden sein könnten (Urteil vom 21. März 1991, Monteil und Samanni, C60/89, Slg. 1991, I1547, Randnr. 29). 18 Hinsichtlich der pharmakologischen Wirkungen werde von der Kommission nicht bestritten, dass das in Rede stehende Erzeugnis der Arteriosklerose-Vorbeugung dienen könne. Allerdings könne die gleiche Wirkung schon bei der Aufnahme von täglich 4 g rohem Knoblauch eintreten. Wenn ein Erzeugnis, von dem behauptet werde, es sei ein Arzneimittel, nichts anderes tue als ein herkömmliches Lebensmittel, dann zeige dies, dass seine pharmakologischen Eigenschaften nicht ausreichten, um die Arzneimitteleigenschaft zu bejahen. Ein Erzeugnis, das auf den Organismus keine anderen Auswirkungen habe als ein Lebensmittel, habe nach Ansicht der Kommission die Schwelle zum Arzneimittel nach der Funktion nicht überschritten. Anders ausgedrückt, könnten Stoffe, die sich nicht nennenswert auf den Organismus auswirkten und dessen Funktionsbedingungen nicht wirklich beeinflussten, nicht als Arzneimittel angesehen werden. 19 Es könne sich bei dem fraglichen Präparat allenfalls um ein Nahrungsergänzungsmittel im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/46 handeln, also um ein Lebensmittel, das Einfach oder Mehrfachkonzentrate von Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung enthalte und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werde. Gleichwohl rechtfertige der Versuch, den Charakter des betreffenden Produkts als Lebensmittel zu verneinen, keinesfalls seine Einstufung als Arzneimittel. 20 Die weitere Frage, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel nach der Bezeichnung einzustufen sei, sei fallbezogen anhand seiner konkreten Merkmale zu lösen. Ein Erzeugnis könne als Arzneimittel nach der Bezeichnung angesehen werden, wenn es infolge seiner Form und seiner Aufmachung einem Arzneimittel genügend ähnele und wenn insbesondere seine Verpackung und sein Beipackzettel einen Hinweis auf Forschungen pharmazeutischer Laboratorien, auf von Ärzten entwickelte Methoden oder Stoffe oder auch auf bestimmte Zeugnisse von Ärzten zugunsten der Eigenschaften des Erzeugnisses enthielten (Urteil vom 21. März 1991, Delattre, C369/88, Slg. 1991, I1487, Randnr. 41). 21 Im vorliegenden Fall werde das Erzeugnis weder auf dem Etikett noch auf den auf der Packung aufgedruckten Informationen, noch in sonstiger Weise als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von Krankheiten bezeichnet oder empfohlen. Auch sei die äußere Aufmachung des Produkts nicht als arzneimitteltypisch anzusehen. Die Kapselform sei das einzige angeführte konkrete Merkmal des Erzeugnisses; jedoch könne die äußere Form allein kein ausschlaggebendes Indiz sein. Auch sonst spreche im vorliegenden Fall nichts dafür, dass es sich um ein Arzneimittel nach der Bezeichnung handele. Der Verbraucher wisse genau, was die Kapsel enthalte, nämlich Knoblauch, der ihm als Lebensmittel bekannt sei. Er sehe auch, dass das Erzeugnis nicht auf eine therapeutische Wirkung hinweise. 22 Schließlich sei zwar nicht ausgeschlossen, dass die Mitgliedstaaten im nationalen Recht ein Erzeugnis, das kein Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 2001/83 sei, der für Arzneimittel geltenden Regelung unterstellten, doch müssten die Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit verhältnismäßig sein (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Kommission/Deutschland, C387/99, Slg. 2004, I3751, Randnr. 72). Im vorliegenden Fall habe die Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht den Nachweis erbracht, dass das Verbot, das in Frage stehende Produkt als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr zu bringen, und die obligatorische Einholung einer Verkehrsgenehmigung für Arzneimittel tatsächlich zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung erforderlich seien. 23 Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, dass auf ein Erzeugnis, das sowohl die Voraussetzungen eines Lebensmittels als auch diejenigen eines Arzneimittels erfülle, nur die speziell für Arzneimittel geltenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden seien (Urteil vom 9. Juni 2005, HLH Warenvertrieb und Orthica, C211/03, C299/03 und C316/03 bis C318/03, Slg. 2005, I5141, Randnr. 43). Der Vorrang des Arzneimittelregimes ergebe sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus Art. 2 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 178/2002 und aus Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2002/46, die übereinstimmend Arzneimittel vom Anwendungsbereich der Vorschriften über Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel ausnähmen. Diese Auslegung werde auch durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83 (ABl. L 136, S. 34) bestätigt, durch die in die Richtlinie 2001/83 ein neu gefasster Art. 2 eingefügt worden sei, nach dessen Abs. 2 in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis auch durch andere gemeinschaftsrechtliche Regelungen, wie etwa die über Lebensmittel, erfasst werde, immer die Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 gälten. 24 Das fragliche Knoblauchpräparat sei ein Arzneimittel nach der Funktion, und zwar in erster Linie deshalb, weil es über pharmakologische Eigenschaften verfüge, denen maßgebliche Bedeutung zukomme. Für die Beurteilung dieser pharmakologischen Eigenschaften seien nicht nur die Auswirkungen des Präparats auf die Gesundheit im Allgemeinen von Bedeutung, sondern auch seine pharmakologische Wirksamkeit (Urteil vom 16. April 1991, Upjohn, C112/89, Slg. 1991, I1703, Randnr. 17). Das Präparat besitze therapeutische Wirkungen, die sich vorbeugend auf krankhafte Veränderungen im menschlichen Organismus auswirkten und insbesondere der Arteriosklerose vorbeugten. Für dieses Vorbringen beruft sich die Bundesrepublik Deutschland auf verschiedene Gutachten und wissenschaftliche Aufsätze. 25 Soweit die Kommission geltend mache, dass die Auswirkungen des Präparats auf Arteriosklerose begrenzt seien, sei darauf hinzuweisen, dass weder der Richtlinie 2001/83 noch der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine „Erheblichkeitsschwelle“ zu entnehmen sei, wonach bestimmte Grade pharmakologischer Wirksamkeiten nachgewiesen werden müssten. Werde daher die pharmakologische Wirksamkeit im vorliegenden Fall bejaht, komme es nicht darauf an, ob eine leichte oder erhebliche Verringerung des Risikos von Arteriosklerose bestehe. 26 Auf die Herkunft der Stoffe könne es für die Definition eines Arzneimittels nicht ankommen, und der Gerichtshof habe entschieden, dass Vitamine in einer bestimmten hochdosierten Form als Arzneimittel eingestuft werden könnten (Urteile vom 30. November 1983, van Bennekom, 227/82, Slg. 1983, 3883, Randnr. 27, und Kommission/Deutschland, Randnr. 56). Dass Vitamine ebenfalls in zahlreichen Lebensmitteln vorkämen, stehe daher ihrer Einstufung als Arzneimittel nicht entgegen. Gleiches müsse für Knoblauch und den darin enthaltenen Wirkstoff Allicin gelten. Daher könne es letztlich nicht darauf ankommen, ob ein Wirkstoff mit pharmakologischen Eigenschaften auch in einem Lebensmittel vorkomme oder nicht. 27 Das streitgegenständliche Präparat verfüge auch deshalb über pharmakologische Eigenschaften, weil es bei seiner Einnahme zu gesundheitlichen Risiken kommen könne (vgl. Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 82). Dass auch der Verzehr bestimmter anderer Lebensmittel negative Folgen für die Gesundheit haben könne, führe indessen nicht dazu, dass die Arzneimitteleigenschaft in Frage gestellt werde. Vor allem spielten jedoch die pharmakologischen und/oder therapeutischen Wirkungen eine maßgebliche Rolle. 28 Was die Modalitäten des Gebrauchs anbelange, spreche die Tatsache, dass das in Rede stehende Erzeugnis in Kapselform angeboten werde, ebenfalls grundsätzlich für das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels. 29 Zum Begriff des Arzneimittels nach der Bezeichnung führt die Bundesrepublik Deutschland aus, dass ein Erzeugnis als ein solches Arzneimittel angesehen werden könne, wenn es nach seiner Form und Aufmachung einem Arzneimittel genügend ähnele. 30 Im vorliegenden Fall spreche die verwendete Kapselform für einen beabsichtigten Vertrieb als Arzneimittel, auch wenn die äußere Form allein kein ausschlaggebendes Indiz für die Einstufung als Arzneimittel sein könne (Urteil Delattre, Randnr. 38). 31 Ferner befänden sich in Deutschland eine große Zahl von Arzneimitteln mit Wirkstoffen wie KnoblauchZwiebelpulver oder öl auf dem Markt, deren Aufmachung mit der des fraglichen Präparats vergleichbar sei. Der Umstand, dass sie allesamt als Arzneimittel eingestuft seien, spreche dafür, dass nach der Verkehrsauffassung und der Verbrauchererwartung auch das hier streitige vergleichbare Produkt ein Arzneimittel nach der Bezeichnung sei. 32 Überdies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die nationalen Behörden bei der Einstufungsentscheidung über einen Wertungsspielraum verfügten (vgl. Urteil HLH Warenvertrieb und Orthica, Randnr. 56). Die Kommission habe ihrer Beweislast nicht genügt und nicht dargetan, dass die Ermessensausübung der deutschen Behörden, wonach das Präparat als Arzneimittel einzustufen sei, fehlerhaft gewesen sei. 33 Für den Fall, dass der Gerichtshof von einer Anwendbarkeit der Warenverkehrsfreiheit ausgehen und in der Einstufungsentscheidung eine Beschränkung sehen sollte, trägt die Bundesrepublik Deutschland hilfsweise vor, dass diese Beschränkung jedenfalls zum Schutz eines zwingenden Interesses des Allgemeinwohls, nämlich des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, gerechtfertigt sei. Würdigung durch den Gerichtshof 34 Den Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ist zu entnehmen, dass kein gewerblich hergestelltes Arzneimittel in einem Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht werden darf, ohne dass von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde oder dass eine Genehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1) erteilt wurde. 35 Folglich stellt es, wenn ein gewerblich hergestelltes Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 fällt, jedenfalls keine durch Art. 28 EG verbotene Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels dar, dass der Importeur verpflichtet wird, vor der Vermarktung des Erzeugnisses im Einfuhrmitgliedstaat gemäß dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen einzuholen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2004, Kommission/Österreich, C150/00, Slg. 2004, I3887, Randnr. 57). 36 Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 2001/83, auch wenn sie im Wesentlichen dem Zweck dient, die Hindernisse für den Handel mit Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft zu beseitigen, und hierfür in Art. 1 eine Definition des Arzneimittels gibt, nur einen ersten Schritt zur Harmonisierung der nationalen Regelungen für die Herstellung und den Vertrieb von pharmazeutischen Erzeugnissen darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Österreich, Randnr. 58). 37 Unter diesen Umständen ist es, solange die Harmonisierung der erforderlichen Vorschriften zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes nicht vollständiger sein wird, kaum zu vermeiden, dass hinsichtlich der Einstufung von Erzeugnissen als Arzneimittel oder als Lebensmittel noch Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Dass ein Erzeugnis in einem anderen Mitgliedstaat als Lebensmittel eingestuft ist, hindert somit nicht daran, ihm im Einfuhrmitgliedstaat dann die Eigenschaft eines Arzneimittels zuzuerkennen, wenn es die entsprechenden Merkmale aufweist (vgl. Urteil HLH Warenvertrieb und Orthica, Randnr. 56). 38 Gleichwohl ist ein Erzeugnis, das der Definition des Begriffs „Arzneimittel“ im Sinne der Richtlinie 2001/83 entspricht, selbst dann als Arzneimittel anzusehen und der entsprechenden Regelung zu unterwerfen, wenn es in den Anwendungsbereich einer anderen, weniger strengen Gemeinschaftsregelung fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 1992, Ter Voort, C219/91, Slg. 1992, I5485, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). 39 Unter diesen Umständen ist zunächst zu prüfen, ob das fragliche Erzeugnis ein Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 2001/83 ist. 40 Als Arzneimittel gelten nach Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/83 „[a]lle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bezeichnet werden“. Nach Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 2 gelten als „Arzneimittel“ ferner „[a]lle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden“. 41 Damit enthält diese Richtlinie zwei Definitionen des Arzneimittels, eine „nach der Bezeichnung“ und eine „nach der Funktion“. Ein Erzeugnis ist dann ein Arzneimittel, wenn es entweder unter die eine oder unter die andere dieser Definitionen fällt (Urteil HLH Warenvertrieb und Orthica, Randnr. 49). 42 Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission in ihrem Antrag ausdrücklich auf den Begriff des Arzneimittels nach der Bezeichnung Bezug nimmt, hingegen den des Arzneimittels nach der Funktion darin nicht erwähnt. In dem begründenden Teil ihrer Klageschrift hat die Kommission demgegenüber, ebenso wie während des gesamten vorgerichtlichen Verfahrens, Argumente im Hinblick auf beide Begriffe vorgebracht. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat zu ihrer Verteidigung sowohl im vorgerichtlichen Verfahren als auch im vorliegenden Verfahren zu beiden Begriffen Stellung genommen. Die von der Kommission erhobene Klage ist deshalb dahin auszulegen, dass mit ihr dem Erzeugnis sowohl die Eigenschaft eines Arzneimittels nach der Bezeichnung als auch die eines Arzneimittels nach der Funktion abgesprochen wird. Zur Definition des Arzneimittels nach der Bezeichnung 43 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der „Bezeichnung“ eines Erzeugnisses weit auszulegen. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 2001/83, soweit sie das Kriterium der Bezeichnung des Erzeugnisses zugrunde legt, nicht nur Arzneimittel erfassen soll, die tatsächlich therapeutische oder medizinische Wirkung haben, sondern auch die Erzeugnisse, die nicht ausreichend wirksam sind oder die nicht die Wirkung haben, die der Verbraucher nach ihrer Bezeichnung von ihnen erwarten darf. Die Richtlinie zielt somit darauf, den Verbraucher nicht nur vor schädlichen oder giftigen Arzneimitteln zu schützen, sondern auch vor verschiedenen Erzeugnissen, die anstelle geeigneter Heilmittel verwendet werden (Urteil van Bennekom, Randnr. 17). 44 In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass ein Erzeugnis im Sinne der Richtlinie 2001/83 „als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet“ wird, wenn es, gegebenenfalls auf dem Etikett, dem Beipackzettel oder mündlich, ausdrücklich als ein solches „bezeichnet“ oder „empfohlen“ wird (vgl. in diesem Sinne Urteil van Bennekom, Randnr. 18, und Urteil Monteil und Samanni, Randnr. 23). 45 Im vorliegenden Fall ist indessen den Akten zu entnehmen, dass das fragliche Präparat, sei es auf dem Etikett, durch die Angaben auf der Verpackung oder in sonstiger Weise, weder als ein Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet noch als ein solches empfohlen wird. 46 Ein Erzeugnis wird ferner stets dann „als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet“, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass dieses Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (vgl. in diesem Sinne Urteil van Bennekom, Randnr. 18, und Urteil Monteil und Samanni, Randnr. 23). 47 Insoweit ist der Einstellung eines durchschnittlich informierten Verbrauchers Rechnung zu tragen, bei dem die einem Erzeugnis gegebene Form ein besonderes Vertrauen hervorrufen kann, wie dasjenige, das Arzneimittel aufgrund der Garantien, die mit ihrer Herstellung und ihrer Vermarktung verbunden sind, normalerweise hervorrufen. Zwar kann die dem fraglichen Erzeugnis gegebene äußere Form für seine Einstufung als Arzneimittel nach der Bezeichnung ein wichtiges Indiz sein, doch ist diese Form so zu verstehen, dass sie sich nicht nur auf das Erzeugnis selbst, sondern auch auf seine Aufmachung bezieht, mit der möglicherweise aus geschäftspolitischen Gründen eine Ähnlichkeit des Erzeugnisses mit einem Arzneimittel angestrebt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil van Bennekom, Randnr. 19, und Urteil Monteil und Samanni, Randnr. 24). 48 Nach den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen ist das in Frage stehende Produkt ein Knoblauchextrakt-Pulver in Form von Kapseln. Auf seiner Verpackung ist u. a. das Foto einer Knoblauchknolle mit zwei daneben liegenden Kapseln wiedergegeben. 49 Insoweit kann der von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachte Umstand, dass es auf dem deutschen Markt zahlreiche Erzeugnisse mit Wirkstoffen wie Knoblauchpuder oder -öl gebe, die ähnlich wie das fragliche Produkt aufgemacht und als Arzneimittel eingestuft seien, nicht genügen, um dem Erzeugnis die Eigenschaft eines Arzneimittels nach der Bezeichnung zu verleihen. Die Bundesrepublik Deutschland hat dieses Vorbringen nämlich durch keine genauen Angaben untermauert. 50 Demnach ist anhand der dem Gerichtshof verfügbaren Informationen festzustellen, dass durch keinen Aspekt der Aufmachung eine Ähnlichkeit des fraglichen Erzeugnisses mit einem Arzneimittel angestrebt wird, es sei denn, durch das auf der Verpackung wiedergegebene Foto einer Knoblauchknolle, wie es auch bei bestimmten in Deutschland als Arzneimittel vertriebenen Erzeugnissen anzutreffen sein soll. Die Wiedergabe des Fotos einer Pflanze auf der Verpackung eines Erzeugnisses kann jedoch nicht genügen, um bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher ein Vertrauen wie dasjenige hervorzurufen, das Arzneimittel normalerweise erwecken. 51 Daher ist die Aufmachung als Kapseln der einzige Aspekt des Erzeugnisses, der für seine Einstufung als Arzneimittel nach der Bezeichnung sprechen könnte. 52 Jedoch ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die einem Erzeugnis gegebene äußere Form, auch wenn sie ein wichtiges Indiz für die Absicht des Verkäufers oder Herstellers ist, das Erzeugnis als Arzneimittel in den Handel zu bringen, kein allein ausschlaggebendes Indiz sein kann, da andernfalls bestimmte Nahrungsmittel erfasst würden, die herkömmlicherweise in ähnlicher Form wie Arzneimittel aufgemacht sind (vgl. in diesem Sinne Urteile van Bennekom, Randnr. 19, und Delattre, Randnr. 38). 53 Wie die Generalanwältin in Nr. 51 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist die Kapselform nicht für Arzneimittel spezifisch. Zahlreiche Lebensmittel werden nämlich ebenfalls in dieser Form angeboten, um dem Verbraucher ihren Verzehr bequemer zu machen. Insoweit ist hervorzuheben, dass Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/46 unter den Kriterien für die Definition des Begriffs „Nahrungsergänzungsmittel“ ausdrücklich die Darreichungsform als Kapseln nennt. Dieses Indiz kann folglich allein nicht genügen, um einem Erzeugnis die Eigenschaft eines Arzneimittels nach der Bezeichnung zu verleihen. 54 Demnach ist festzustellen, dass das fragliche Erzeugnis den in Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/83 festgelegten Kriterien nicht genügt. Es kann daher nicht als ein Arzneimittel nach der Bezeichnung im Sinne dieser Richtlinie eingestuft werden. Zur Definition des Arzneimittels nach der Funktion 55 Die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels nach der Funktion im Sinne der Richtlinie 2001/83 fällt, hat die zuständige nationale Behörde, die unter der Kontrolle der Gerichte tätig wird, von Fall zu Fall zu treffen und dabei alle Merkmale des Erzeugnisses, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen –, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, zu berücksichtigen (Urteil HLH Warenvertrieb und Orthica, Randnr. 51). 56 Im vorliegenden Fall begründet die Bundesrepublik Deutschland die Einstufung des fraglichen Erzeugnisses als Arzneimittel nach der Funktion im Wesentlichen mit seinem Allicin-Gehalt, seinen Auswirkungen auf den Blutdruck und den Cholesterinspiegel, der verwendeten Kapselform und den mit der Einnahme verbundenen Risiken. 57 Ausweislich der Akten ist das fragliche Erzeugnis ein Knoblauchextrakt-Pulver mit einem Allicin-Anteil zwischen 0,95 % und 1,05 %, womit jede Kapsel ebenso viel Allicin enthält wie 7,4 g roher, frischer Knoblauch. Allicin, das als flüchtiger Hauptbestandteil aus zermahlenem Knoblauch freigesetzt wird, entsteht durch die Umwandlung von Alliin, einer in Knoblauch vorhandenen natürlichen Aminosäure, bei dessen Vermischung mit dem natürlichen Enzym Alliinase. 58 Es ist somit festzustellen, dass das fragliche Erzeugnis außer dem Hilfsstoff, auf den der Knoblauchextrakt vor dem Zermahlen aufgezogen wird, keinen Stoff enthält, der nicht im Knoblauch in dessen natürlichem Zustand vorhanden wäre. 59 Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage, ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses, zu beurteilen ist, ob es im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt werden kann (Urteil HLH Warenvertrieb und Orthica, Randnr. 52). 60 Wenn diese Definition, wie die Generalanwältin in Nr. 58 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat, auch weit genug gefasst ist, um auch auf Erzeugnisse erstreckt werden zu können, die zwar geeignet sind, sich auf Körperfunktionen auszuwirken, jedoch in Wirklichkeit einen anderen Zweck haben, darf dieses Kriterium nicht dazu führen, dass Stoffe als Arzneimittel nach der Funktion eingestuft werden, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken und somit dessen Funktionsbedingungen nicht wirklich beeinflussen (Urteil Upjohn, Randnr. 22). 61 Anders als der Begriff des Arzneimittels nach der Bezeichnung, dessen weite Auslegung die Verbraucher vor Erzeugnissen schützen soll, die nicht die Wirksamkeit besitzen, welche sie erwarten dürfen, soll der Begriff des Arzneimittels nach der Funktion diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen. 62 Eine solche Auslegung steht in Einklang mit den Zwecken der Richtlinie 2001/83, die ausweislich ihrer Erwägungsgründe 2 bis 5 das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs in Einklang bringen soll. 63 Wenn im Übrigen auf ein Erzeugnis, das die Bedingungen für die Einstufung als Arzneimittel erfüllt, selbst dann, wenn es in den Anwendungsbereich einer anderen, weniger strengen Gemeinschaftsregelung fällt, nur die speziell für Arzneimittel geltenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile Delattre, Randnr. 22, Monteil und Samanni, Randnr. 17, Ter Voort, Randnr. 19, sowie HLH Warenvertrieb und Orthica, Randnr. 43), ist doch, wie Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 2002/46 zeigt, festzustellen, dass die physiologische Wirkung nicht für Arzneimittel spezifisch ist, sondern auch zu den verwendeten Kriterien für die Definition des Nahrungsergänzungsmittels gehört. 64 Deshalb und um die praktische Wirksamkeit dieses Kriteriums zu gewährleisten, ist es nicht ausreichend, dass ein Erzeugnis Eigenschaften besitzt, die der Gesundheit im Allgemeinen förderlich sind, sondern muss es wirklich die Funktion der Verhütung oder Heilung besitzen. 65 Diese Feststellung gilt umso mehr für Erzeugnisse, die zusätzlich zu ihrer Eigenschaft als Lebensmittel anerkanntermaßen förderliche Wirkungen für die Gesundheit besitzen. Wie die Generalanwältin in Nr. 60 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, gibt es nämlich zahlreiche allgemein als Lebensmittel anerkannte Erzeugnisse, die objektiv für therapeutische Zwecke verwendet werden können. Dieser Umstand kann jedoch nicht genügen, um ihnen die Eigenschaft eines Arzneimittels im Sinne der Richtlinie 2001/83 zu verleihen. 66 Im vorliegenden Fall bestreitet die Bundesrepublik Deutschland nicht, dass die von ihr geltend gemachten physiologischen Wirkungen im Wesentlichen der Arteriosklerose-Prävention auch durch den Verzehr von 7,4 g Knoblauch als Lebensmittel erzielt werden können. Insoweit ist es aussagekräftig, dass sich die von der Bundesrepublik Deutschland angeführten Studien auf die potenziellen Wirkungen des Verzehrs sowohl von Knoblauchpräparaten in Form von Kapseln, Pudern oder Lösungen als auch des Verzehrs von Knoblauch in seinem natürlichen Zustand beziehen. 67 Zwischen den Parteien ist ebenfalls unstreitig, dass das fragliche Produkt keine zusätzlichen Wirkungen zu den Wirkungen des Verzehrs von Knoblauch in natürlichem Zustand besitzt, und wie die Generalanwältin in Nr. 62 ihrer Schlussanträge unterstrichen hat, dürften diese Wirkungen nicht wesentlich höher oder anders zu beurteilen sein als die anderer pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse, die mit der täglichen Nahrung aufgenommen werden. 68 Demnach ist festzustellen, dass das fragliche Erzeugnis, dessen Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann, keine nennenswerten Auswirkungen auf den Stoffwechsel besitzt und damit nicht als ein Erzeugnis eingestuft werden kann, das die physiologischen Funktionen im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 wiederherstellen, bessern oder beeinflussen könnte. 69 Schließlich ist entgegen der Auffassung der Bundesrepublik Deutschland der Umstand, dass die Aufnahme des fraglichen Erzeugnisses ein Gesundheitsrisiko sein soll, kein Gesichtspunkt, der auf eine pharmakologische Wirksamkeit des Erzeugnisses hinweisen kann. Nach der Rechtsprechung ist nämlich das Gesundheitsrisiko, auch wenn es bei der Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel nach der Funktion zu berücksichtigen ist, dennoch ein eigenständiger Faktor (vgl. Urteil HLH Warenvertrieb und Orthica, Randnr. 53). 70 Die Beurteilung etwaiger Risiken infolge der Verwendung des fraglichen Erzeugnisses ist im Kontext der Richtlinie 2001/83 und allgemein im Licht der Grundsätze des Gemeinschaftsrechts vorzunehmen. 71 Wie die Kommission vorgetragen hat, sollen die Gemeinschaftsvorschriften über Arzneimittel neben dem Schutz der menschlichen Gesundheit den freien Warenverkehr sicherstellen, so dass die Auslegung der Vorschriften der Richtlinie 2001/83 im Allgemeinen und die des Begriffs des Arzneimittels im Besonderen nicht zur Folge haben darf, dass Behinderungen für den freien Warenverkehr entstehen, die völlig außer Verhältnis zum angestrebten Ziel des Gesundheitsschutzes stünden. 72 Im vorliegenden Fall beruft sich die Bundesrepublik Deutschland auf Fälle spontaner und postoperativer Blutungen nach übermäßigem Verzehr von Knoblauch als Lebensmittel oder in Form eines Präparats, jedoch auch auf die Beeinträchtigung der Wirkungen bestimmter gegen Retroviren eingesetzter Arzneimittel und auf eine Wechselwirkung mit blutgerinnungshemmenden Mitteln. 73 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Risiken mit dem Verzehr von Knoblauch im Allgemeinen und nicht speziell mit der Einnahme des streitigen Präparats verbunden sind. 74 Im Übrigen kann den von der Bundesrepublik Deutschland angeführten Beispielen entnommen werden, dass Gesundheitsgefahren nur infolge der Wechselwirkung mit bestimmten Arzneimitteln oder eines übermäßigen Verzehrs von Knoblauch oder Knoblauchpräparaten unter besonderen Umständen wie einem chirurgischen Eingriff auftreten können. 75 Wie die Generalanwältin in Nr. 65 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, ist aus diesen Beispielen zu schließen, dass die angeführten Risiken und Kontraindikationen bei der Einnahme von Knoblauchpräparaten begrenzt sind und sich zudem nicht von denen unterscheiden, die im Fall des Verzehrs von Knoblauch als Lebensmittel bestehen. 76 Was das Kriterium der Gebrauchsmodalitäten des fraglichen Erzeugnisses angeht, kann dieses Kriterium im vorliegenden Fall aus den oben in Randnr. 53 dargelegten Gründen nicht maßgebend sein. 77 Demnach ist festzustellen, dass das fragliche Erzeugnis in Anbetracht aller seiner Merkmale nicht als ein Arzneimittel nach der Funktion im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 eingestuft werden kann. 78 Nach alledem entspricht das fragliche Erzeugnis weder der Definition eines Arzneimittels nach der Bezeichnung noch der eines Arzneimittels nach der Funktion. Es kann daher nicht als ein Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 2001/83 eingestuft werden. Zum Verstoß gegen die Art. 28 EG und 30 EG 79 Es ist sodann zu prüfen, ob, wie die Kommission geltend macht, das Erfordernis einer Genehmigung des Inverkehrbringens als Arzneimittel, das sich aus der Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland ergibt, eine durch Art. 28 EG verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung bildet. 80 Das in Art. 28 EG aufgestellte Verbot der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen erfasst jede Maßnahme, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, Slg. 1974, 837, Randnr. 5, und Kommission/Österreich, Randnr. 81). 81 Im vorliegenden Fall begründet die Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland dadurch ein Hindernis für den innergemeinschaftlichen Handel, dass das fragliche Erzeugnis, das in anderen Mitgliedstaaten als Lebensmittel rechtmäßig vertrieben werden kann, in Deutschland erst vermarktet werden darf, nachdem es einem Verfahren der Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel unterworfen worden ist. 82 Die Bundesrepublik Deutschland macht insoweit geltend, dass ihre Entscheidung durch Gründe des Schutzes der öffentlichen Gesundheit im Sinne von Art. 30 EG gerechtfertigt werde. 83 Nach Art. 30 EG können zwar Beschränkungen des freien Warenverkehrs aufrechterhalten werden, die aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit und des menschlichen Lebens gerechtfertigt sind, welche vom Gemeinschaftsrecht als wesentliche Erfordernisse anerkannt sind. Jedoch ist die Anwendung dieser Bestimmung ausgeschlossen, wenn Richtlinien der Gemeinschaft die Harmonisierung der Maßnahmen vorsehen, die zur Verwirklichung des konkreten Ziels, das durch den Rückgriff auf Art. 30 EG erreicht werden soll, erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. November 1998, Kommission/Deutschland, C102/96, Slg. 1998, I6871, Randnr. 21). 84 Im vorliegenden Fall braucht nicht geprüft zu werden, ob das fragliche Erzeugnis als ein Nahrungsergänzungsmittel im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2002/46 oder als ein Lebensmittel im Sinne von Art. 2 der Verordnung Nr. 178/2002 eingestuft werden kann. Denn es genügt die Feststellung, dass nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2002/46 und nach Art. 14 Abs. 9 der Verordnung Nr. 178/2002 unbeschadet der Bestimmungen des Vertrags die einzelstaatlichen Bestimmungen unberührt bleiben, die in Ermangelung der in diesen Rechtsakten vorgesehenen besonderen Gemeinschaftsbestimmungen gelten. 85 Demnach ist zu prüfen, ob die in Frage stehende deutsche Praxis auf der Grundlage von Art. 30 EG gerechtfertigt werden kann. 86 Insoweit ist daran zu erinnern, dass es, soweit beim gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung noch Unsicherheiten bestehen, mangels Harmonisierung Sache der Mitgliedstaaten ist, unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft zu bestimmen, in welchem Umfang sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollen und ob sie für das Inverkehrbringen der Lebensmittel eine vorherige Zulassung verlangen (Urteile vom 14. Juli 1983, Sandoz, 174/82, Slg. 1983, 2445, Randnr. 16, van Bennekom, Randnr. 37, und vom 14. September 2006, Alfa Vita Vassilopoulos und Carrefour-Marinopoulos, C158/04 und C159/04, Slg. 2006, I8135, Randnr. 21). 87 Allerdings müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihres den Gesundheitsschutz betreffenden Ermessens den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einhalten. Die von ihnen gewählten Maßnahmen sind daher auf das Maß dessen zu beschränken, was zum Schutz der öffentlichen Gesundheit tatsächlich erforderlich ist. Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen, das nicht durch Maßnahmen zu erreichen sein darf, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränken (Urteile Sandoz, Randnr. 18, van Bennekom, Randnr. 39, vom 23. September 2003, Kommission/Dänemark, C192/01, Slg. 2003, I9693, Randnr. 45, und vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich, C24/00, Slg. 2004, I1277, Randnr. 52). 88 Da Art. 30 EG eine – eng auszulegende – Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft darstellt, ist es außerdem Sache der nationalen Behörden, die sich hierauf berufen, in jedem Einzelfall im Licht der nationalen Ernährungsgewohnheiten und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung darzulegen, dass ihre Regelung zum wirksamen Schutz der von dieser Bestimmung erfassten Interessen erforderlich ist, und insbesondere, dass das Inverkehrbringen der in Frage stehenden Erzeugnisse eine tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt (Urteile Sandoz, Randnr. 22, van Bennekom, Randnr. 40, Kommission/Dänemark, Randnr. 46, und Kommission/Frankreich, Randnr. 53). 89 Auch wenn, wie oben in Randnr. 86 dargelegt, das Gemeinschaftsrecht einer Regelung der vorherigen Genehmigung grundsätzlich nicht entgegensteht, ist festzustellen, dass die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 8 der Richtlinie 2001/83 besonders strengen Anforderungen unterliegt. 90 Unter diesen Umständen kann die Verpflichtung, vor der Vermarktung des streitigen Erzeugnisses im deutschen Hoheitsgebiet eine Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel einzuholen, nur dann als mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehend angesehen werden, wenn sie tatsächlich erforderlich ist, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. 91 Eine solche Beschränkung des freien Warenverkehrs muss daher notwendig auf eine eingehende Prüfung des Risikos gestützt werden, das der sich auf Art. 30 EG berufende Mitgliedstaat geltend macht (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 47, und Kommission/Frankreich, Randnr. 54). 92 Im vorliegenden Fall verweist die Bundesrepublik Deutschland zur Rechtfertigung der Beschränkung des freien Warenverkehrs lediglich auf ihre Ausführungen zu den Gesundheitsgefahren, die mit dem fraglichen Präparat verbunden sein sollen. 93 Insoweit ist daran zu erinnern, dass sich diese Ausführungen, wie oben in den Randnrn. 73 bis 75 ausgeführt, zum einen hauptsächlich auf die Auswirkungen des Verzehrs von Knoblauch als Lebensmittel und nicht speziell die des streitigen Erzeugnisses beziehen und dass zum anderen diese Risiken unter ganz besonderen Umständen auftreten. 94 Der allgemeine Hinweis der Bundesrepublik Deutschland auf Gesundheitsrisiken, die der Verzehr von Knoblauch unter ganz besonderen Umständen mit sich bringen kann, kann jedoch, wie die Generalanwältin in Nr. 79 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, nicht eine Maßnahme wie die obligatorische Durchführung des besonders strengen Verfahrens der Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel rechtfertigen. 95 Überdies hätte die Bundesrepublik Deutschland, anstatt das Erzeugnis diesem Verfahren zu unterstellen, eine geeignete Etikettierung zur Warnung der Verbraucher vor potenziellen Risiken bei Verzehr des Erzeugnisses vorschreiben können. Diese Lösung hätte den freien Warenverkehr in geringerem Maße eingeschränkt und zugleich dem Zweck des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entsprochen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 1994, van der Veldt, C17/93, Slg. 1994, I3537, Randnr. 19). 96 Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht dargetan hat, dass es zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher erforderlich ist, das fragliche Erzeugnis der Regelung für Arzneimittel zu unterstellen, und dass dies nicht über die Grenzen dessen hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Die von ihr erlassene Entscheidung genügt daher nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 97 Nach alledem hat die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 30 EG verstoßen, dass sie ein Knoblauchpräparat in der Form von Kapseln, das nicht der Definition des Arzneimittels im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 entspricht, als Arzneimittel eingestuft hat. Kosten 98 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland in die Kosten beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 30 EG verstoßen, dass sie ein Knoblauchpräparat in der Form von Kapseln, das nicht der Definition des Arzneimittels im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel entspricht, als Arzneimittel eingestuft hat. 2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten. |