Lebensmittelkontaktmaterialien FCMsMaterialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen (Lebensmittelkontaktmaterialien, Food Contact Materials – FCMs), unterliegen umfangreichen rechtlichen und technischen Anforderungen. Diese variieren je nach Art des Lebensmittels, da Lebensmittel unterschiedliche Eigenschaften wie Säuregehalt, Fettgehalt oder Feuchtigkeitsgehalt haben, die die Wechselwirkungen mit den Materialien beeinflussen können. Im Folgenden werden die allgemeinen Anforderungen sowie die Besonderheiten je Lebensmittelart beschrieben.
I. Allgemeine rechtliche Anforderungen an FCMs1. EU-Verordnung (EG) Nr. 1935/2004Diese zentrale EU-Verordnung definiert die grundlegenden Anforderungen an alle Materialien, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen: Sicherheitsanforderungen: Materialien dürfen keine Stoffe auf Lebensmittel übertragen, die: - die Gesundheit gefährden,
- die Zusammensetzung der Lebensmittel unzulässig verändern, oder
- die sensorischen Eigenschaften (Geschmack, Geruch) der Lebensmittel beeinträchtigen.
Gute Herstellungspraxis (GMP): Herstellung gemäß Verordnung (EG) Nr. 2023/2006, um eine gleichbleibend hohe Qualität sicherzustellen. Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit: - Kennzeichnung mit dem Glas-Gabel-Symbol oder der Angabe „Für Lebensmittelkontakt“.
- Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Lieferkette.
2. Spezifische EU-Verordnungen und RichtlinienKunststoffe: Verordnung (EU) Nr. 10/2011: Regelt Anforderungen an Kunststoffmaterialien, einschließlich Migrationsgrenzwerte für spezifische Stoffe und die Zulassung von Monomeren und Zusatzstoffen. Regenerierte Zellulose: Richtlinie 2007/42/EG: Anforderungen an Zellophan und ähnliche Materialien. Keramik: Richtlinie 84/500/EWG: Grenzwerte für die Freisetzung von Schwermetallen wie Blei und Cadmium. Aktive und intelligente Materialien: Verordnung (EG) Nr. 450/2009: Materialien, die aktiv auf das Lebensmittel einwirken oder dessen Zustand überwachen, unterliegen speziellen Sicherheitsanforderungen.
3. Nationale Vorschriften (Deutschland)Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und die Bedarfsgegenständeverordnung (BedGgstV) setzen die EU-Vorgaben in Deutschland um. Diese enthalten zusätzliche Anforderungen, z. B. für Metalle, Papier und Holz.
4. Dokumentation- Konformitätserklärung:
Nachweis, dass das Material alle rechtlichen Anforderungen erfüllt. - Migrationstests:
Ergebnisse von Tests, die die Unbedenklichkeit der Materialien belegen.
II. Technische Anforderungen an FCMs1. MigrationstestsMigrationstests überprüfen, wie viel Materialbestandteile auf das Lebensmittel übergehen: Globale Migration: - Gesamtmenge aller Stoffe, die auf das Lebensmittel übertragen werden können.
- Grenzwert: 10 mg/dm² Materialfläche oder 60 mg/kg Lebensmittel.
Spezifische Migration: - Test auf bestimmte Stoffe (z. B. Schwermetalle, Weichmacher, Monomere).
- Beispiel: Bisphenol A (BPA) hat spezifische Grenzwerte oder ist in bestimmten Anwendungen verboten.
Simulanzien: - Verwendung von Lebensmittelsimulanzien (z. B. Ethanol für alkoholhaltige Lebensmittel, Öl für fetthaltige Lebensmittel), um reale Kontaktbedingungen nachzustellen.
2. Temperatur- und ZeitbeständigkeitMaterialien müssen stabil bleiben, auch bei hohen Temperaturen (z. B. Kochen, Mikrowelle) oder langer Lagerung. 3. Mechanische EigenschaftenMaterialien dürfen bei Lagerung und Transport nicht reißen, zerbrechen oder andere physikalische Defekte aufweisen. 4. Sensorische NeutralitätMaterialien dürfen den Geschmack, Geruch oder das Aussehen des Lebensmittels nicht beeinträchtigen.
III. Besonderheiten je Lebensmittelart1. Fetthaltige Lebensmittel- Risiko: Fettlösliche Stoffe aus Materialien (z. B. Weichmacher oder Farbzusätze) können ins Lebensmittel migrieren.
- Anforderungen:
- Verwendung von Materialien mit hoher Barrierewirkung (z. B. Aluminiumfolie oder spezialisierte Kunststoffe).
- Einsatz fettbeständiger Materialien (nachgewiesen durch Tests mit fetthaltigen Simulanzien wie Olivenöl).
2. Säurehaltige Lebensmittel- Risiko: Säure kann Materialien angreifen und Schwermetalle oder andere Bestandteile lösen.
- Anforderungen:
- Verwendung säurebeständiger Materialien, z. B. säurefeste Lacke bei Konserven.
- Test mit simulierten sauren Lebensmitteln (z. B. Essigsäurelösungen).
3. Wässrige Lebensmittel- Risiko: Wasser kann wasserlösliche Bestandteile wie Klebstoffe oder Druckfarben extrahieren.
- Anforderungen:
- Test mit wässrigen Simulanzien (z. B. destilliertes Wasser).
- Verwendung migrationsarmer Materialien (z. B. lebensmittelechte Kunststoffe).
4. Alkoholhaltige Lebensmittel- Risiko: Alkohol kann bestimmte Stoffe wie Weichmacher oder Lösungsmittel aus dem Material lösen.
- Anforderungen:
- Verwendung von alkoholbeständigen Materialien.
- Test mit ethanolhaltigen Simulanzien (z. B. 10 % oder 50 % Ethanol).
5. Tiefkühlprodukte- Risiko: Materialien können bei niedrigen Temperaturen spröde werden.
- Anforderungen:
- Test auf Kälteresistenz.
- Verwendung temperaturbeständiger Kunststoffe oder Verbundmaterialien.
6. Trockenprodukte- Risiko: Migration ist bei trockenen Produkten geringer, jedoch können durch Abrieb Partikel ins Lebensmittel gelangen.
- Anforderungen:
- Abriebfeste und hygienisch einwandfreie Materialien verwenden.
- Keine Migration von Staubpartikeln oder Schadstoffen.
7. Babynahrung und empfindliche Lebensmittel- Risiko: Besondere Empfindlichkeit gegenüber Schadstoffen.
- Anforderungen:
- Strengere Grenzwerte für spezifische Migration (z. B. kein Bisphenol A).
- Verwendung besonders migrationsarmer Materialien.
IV. Häufige Verstöße und ihre VermeidungHäufige Verstöße:- Nicht zugelassene Materialien oder Stoffe:
- Verwendung von nicht EU-zertifizierten Kunststoffen oder Farben.
- Unzureichende Kennzeichnung:
- Fehlende Angabe „Für Lebensmittelkontakt“ oder Glas-Gabel-Symbol.
- Ãœberschreitung von Migrationsgrenzwerten:
- Vor allem bei fetthaltigen oder alkoholhaltigen Lebensmitteln.
- Unzureichende Dokumentation:
- Fehlende oder unvollständige Konformitätserklärungen.
Vermeidung:- Rechtskonforme Materialauswahl:
- Materialien gemäß den EU-Vorgaben auswählen.
- Regelmäßige Migrationstests:
- Durchführung durch akkreditierte Labore, angepasst an die Lebensmittelart.
- Transparente Lieferketten:
- Zusammenarbeit mit zertifizierten Lieferanten.
- Kennzeichnung und Dokumentation:
- Lückenlose Konformitätserklärungen und Rückverfolgbarkeit sicherstellen.
V. FazitLebensmittelkontaktmaterialien müssen sowohl rechtlich als auch technisch sicher gestaltet sein. Besonderheiten wie Fett-, Säure- oder Alkoholgehalt des Lebensmittels erfordern spezifische Materialeigenschaften und Tests. Eine konsequente Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und regelmäßige Prüfungen gewährleisten die Sicherheit und Qualität der Materialien. |