Diätrecht/ FSGDas Diätrecht umfasst die rechtlichen Regelungen für Lebensmittel, die für spezielle Ernährungsbedürfnisse bestimmt sind. Es ist Teil des allgemeinen Lebensmittelrechts, jedoch durch spezifische Anforderungen an Kennzeichnung, Zusammensetzung und Werbung ergänzt. Ziel ist es, Verbraucher mit besonderen Ernährungsanforderungen (z. B. Babys, Diabetiker, Personen mit Glutenunverträglichkeit)=FSG zu schützen und gleichzeitig den fairen Wettbewerb sicherzustellen.
1. Rechtsgrundlagen1.1 Europäische EbeneVerordnung (EU) Nr. 609/2013 (Basisverordnung): Regelt die Anforderungen an Lebensmittel für besondere Gruppen (Food for Specific Groups, FSG). Dazu gehören: - Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung.
- Getreidebeikost und andere Beikost für Säuglinge und Kleinkinder.
- Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke.
- Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung.
Verordnungen der Europäischen Kommission: - Verordnung (EU) 2016/127: Anforderungen an Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung.
- Verordnung (EU) 2016/128: Anforderungen an Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke.
1.2 Nationale Ebene (Deutschland)- Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB):
Allgemeine Anforderungen an Lebensmittelsicherheit und -kennzeichnung. - Diätverordnung (DiätV):
Bis zur vollständigen Umsetzung der EU-Vorschriften regelt die DiätV noch bestimmte Aspekte, z. B. für diätetische Lebensmittel wie glutenfreie Produkte.
2. Definition und Abgrenzung2.1 Lebensmittel für besondere Gruppen (FSG)Lebensmittel, die speziell für die Bedürfnisse bestimmter Personengruppen hergestellt und gekennzeichnet sind: - Säuglinge und Kleinkinder: Spezielle Nährstoffzusammensetzungen.
- Kranke Personen: Lebensmittel für medizinische Zwecke.
- Personen mit Gewichtsproblemen: Produkte für gewichtskontrollierende Ernährung.
2.2 Abgrenzung zu anderen Lebensmitteln- Normale Lebensmittel: Keine spezifischen Ernährungszwecke.
- Nahrungsergänzungsmittel: Konzentrierte Nährstoffe, keine primäre Funktion als Ersatznahrung.
- Arzneimittel: Produkte mit pharmakologischer Wirkung (streng reguliert).
Beispiele:- Ein glutenfreies Brot ist ein diätetisches Lebensmittel.
- Ein Vitamin-D-Präparat ist ein Nahrungsergänzungsmittel.
- Ein Medikament gegen Mangelernährung ist ein Arzneimittel.
3. Anforderungen an diätetische Lebensmittel3.1 Zusammensetzung- Die Zusammensetzung muss den besonderen Ernährungsbedürfnissen der Zielgruppe entsprechen.
- Verordnung (EU) Nr. 2016/127:
- Höchst- und Mindestgehalte für Nährstoffe in Säuglingsnahrung.
- Verbot bestimmter Zusatzstoffe, z. B. Farbstoffe.
Beispiel:Eine Säuglingsanfangsnahrung muss mindestens 0,8 mg Eisen pro 100 kcal enthalten.
3.2 KennzeichnungKennzeichnungspflichten sind besonders streng geregelt, um die Zielgruppe klar zu informieren: Beispiel für eine korrekte Kennzeichnung:- Produktname: „Glutenfreies Brot.“
- Zweck: „Geeignet für Personen mit Zöliakie.“
- Nährwertangaben: Energie, Fett, Kohlenhydrate (inkl. Zucker), Ballaststoffe, Eiweiß, Salz.
3.3 Rückverfolgbarkeit und Sicherheit- Hersteller müssen sicherstellen, dass die Produkte rückverfolgbar sind (Verordnung (EG) Nr. 178/2002).
- Lebensmittelsicherheit wird durch regelmäßige Kontrollen und Tests gewährleistet.
4. Besondere Kategorien im Diätrecht4.1 Säuglingsanfangsnahrung und FolgenahrungRegelungen gemäß der Verordnung (EU) 2016/127: Säuglingsanfangsnahrung: Ersatz für Muttermilch in den ersten sechs Monaten. - Pflicht: Angabe der Proteinquelle, z. B. „auf Kuhmilchbasis.“
- Verbot: Werbung, die Muttermilch herabsetzt.
Folgenahrung: Für Säuglinge ab sechs Monaten. - Weniger restriktive Regelungen als für Anfangsnahrung.
4.2 Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (FSMP)Regelungen gemäß der Verordnung (EU) 2016/128: - Produkte, die zur diätetischen Behandlung bestimmter Erkrankungen entwickelt wurden.
- Beispiel: Hochkalorische Nahrung für Krebspatienten.
- Strenge Anforderungen an die Kennzeichnung:
- „Nur unter ärztlicher Aufsicht zu verwenden.“
- Angabe des spezifischen medizinischen Zwecks.
4.3 Glutenfreie LebensmittelKennzeichnung „glutenfrei“: - Erlaubt, wenn der Glutengehalt unter 20 mg/kg liegt.
- Regelungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 828/2014.
Kennzeichnung „sehr geringer Glutengehalt“: - Erlaubt für Produkte mit 20–100 mg/kg Gluten.
Beispiel:Ein Brot mit 15 mg/kg Gluten darf als „glutenfrei“ bezeichnet werden.
4.4 Produkte für gewichtskontrollierende ErnährungRegelungen gemäß der Verordnung (EU) 609/2013: - Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung müssen:
- Alle essentiellen Nährstoffe enthalten.
- Mindestens 800 kcal und höchstens 1.200 kcal pro Tagesration liefern.
5. Marktüberwachung und Sanktionen5.1 Aufgaben der Behörden- Kontrolle der Einhaltung von Vorschriften durch die Lebensmittelüberwachungsbehörden der Länder.
- Prüfung der Kennzeichnung und Zusammensetzung.
- Probenahmen und Laboranalysen, z. B. auf Einhaltung der Nährstoffgehalte.
5.2 Sanktionen- Verkaufsverbot: Produkte, die nicht den Vorschriften entsprechen, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.
- Bußgelder: Für irreführende Kennzeichnung oder Nichteinhaltung der Vorschriften.
- Strafrechtliche Konsequenzen: Bei Gesundheitsgefährdung durch fehlerhafte Produkte.
Rechtsprechung: - BGH, Urteil vom 10.12.2015 – I ZR 222/13 („Tütensuppen-Fall“):
Werbung für eine Tütensuppe mit gesundheitlichen Vorteilen wurde als irreführend beurteilt, da die Aussage nicht ausreichend wissenschaftlich belegt war.
6. Internationale Aspekte6.1 EU- Harmonisierung der Vorschriften innerhalb der EU.
- Produkte, die den EU-Vorschriften entsprechen, dürfen im gesamten Binnenmarkt vertrieben werden.
6.2 USA- Lebensmittel mit diätetischen Eigenschaften fallen unter die Food and Drug Administration (FDA) und den Dietary Supplement Health and Education Act (DSHEA).
- Weniger restriktive Kennzeichnungsvorschriften, jedoch strengere Regeln für gesundheitsbezogene Aussagen.
6.3 China- Produkte müssen bei der National Medical Products Administration (NMPA) registriert werden.
- Strenge Anforderungen an Inhaltsstoffe und Kennzeichnung.
7. Vertragsgestaltung und AGB im Diätrecht7.1 Lieferverträge- Regelungen über Qualität, Nährstoffgehalte und Produktionsmethoden.
- Beispiel: „Das Produkt muss den Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/128 entsprechen.“
7.2 Verträge mit Händlern- Verpflichtung zur Einhaltung der Kennzeichnungsvorschriften.
- Haftungsklauseln für fehlerhafte Produkte.
8. Rolle von Rechtsanwälten im Diätrecht8.1 Beratung- Unterstützung bei der Einhaltung von Kennzeichnungsvorschriften.
- Prüfung von gesundheitsbezogenen Aussagen auf Konformität mit der Health Claims Verordnung.
- Vertragsgestaltung für Liefer- und Handelsbeziehungen.
8.2 Vertretung- Verteidigung bei Abmahnungen wegen irreführender Werbung.
- Vertretung in Produkthaftungsfällen oder Verwaltungsverfahren.
9. FazitDas Diätrecht ist ein hochspezialisiertes Rechtsgebiet, das strenge Anforderungen an Hersteller und Händler stellt. Die korrekte Kennzeichnung und Zusammensetzung von Produkten ist essenziell, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden und das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen. Rechtsanwälte spielen eine zentrale Rolle bei der Einhaltung der Vorschriften und der Abwehr von Sanktionen oder Klagen. |